Ganz schön oft greifen wir am Tag zu unserem Handy. Manchmal sogar, wenn wir gerade eigentlich etwas anderes machen oder bereits einen digitalen Bildschirm vor uns haben. Das kann doch nur ungesund sein.
Ich bin fertig. Heute sogar neun Stunden Uni, Arbeit und Konzentration. Ich gehe noch ne Runde raus, um wenigstens ein bisschen frische Luft zu bekommen. Die Sonne ist schon seit einer Stunde weg. Manchmal ist es aber auch so: Laptop zu, Fernseher an, Handy checken. Erst als ich zum zweiten Mal die Folge Gilmore Girls zurückspule, weil ich wieder nicht mitbekommen habe, welches Buch Rory gerade liest, fällt es mir auf. Ich hänge die ganze Zeit am Handy. Lese Schlagzeilen, beantworte Nachrichten, aktualisiere doch nochmal die Mails.
Der zweite Bildschirm
Second Screening beschreibt das Phänomen, wenn ich passend zu der Serie, dem Film, den Nachrichten, die ich gerade im TV schaue, mein Smartphone oder Tablet nutze. Ich schreibe in die Familien-Gruppe, meinen Tipp für das Fußballspiel, das gerade beginnt. Ich schicke meiner Freundin eine Sprachnachricht, dass diese neue Netflix-Serie echt verdammt spannend ist. Ich suche einen Song, den ich gerade in dem Film gehört habe und packe ihn auf meine Playlist. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie (2014) nutzen 57% der Befragten ab 14 Jahren zumindest selten einen zweiten Bildschirm während des Fernsehens. Das muss dabei nicht immer programmbezogen sein.
Second Screening am Beispiel „Gott“

Ich habe das am Montag mal bewusst ausprobiert. Um 20.15 Uhr lief im Ersten die Verfilmung zum neuen Drama „Gott“ von Ferdinand von Schirach. Es geht um ein echt schwieriges Thema, über das es sich lohnt nachzudenken. Sollte ein Arzt/eine Ärztin Beihilfe zum Suizid leisten? Toll geschrieben und umgesetzt, obwohl ich das Buch den Abend vorher erst gelesen habe, total spannend. Ich war echt immer hin- und hergerissen. Interessante Thematik, die ich hier heute aber außen vor lasse. Am Ende des Films konnte der Zuschauer/die Zuschauerin online oder per Telefon abstimmen, ob dem Protagonisten Herrn Gärtner, der den Wunsch hat zu sterben, das tödliche Mittel gegeben werden sollte.
Geplantes Second Screening bindet die Zuschauer:innen länger an die Sendung und bietet auch eine zweite Plattform, auf der man werben kann. In dem Fall Montag war es ja von mir beabsichtig, mein Handy aufgeladen zu haben und die Webseite nach dem Film aufzurufen. Dementsprechend freiwillig. So geplantes Second Screening finde ich mal eine nette Idee. Es ist ganz interessant zu sehen, wie die Zuschauer:innen letztendlich abgestimmt haben. Aber es muss auch nicht immer sein.
So häufig greifen wir zum Smartphone
Aber was ist mit diesem unkontrollierten, automatischen Greifen zum Smartphone, das wir alle mittlerweile bis zu 88 Mal am Tag machen. Einige Male auch, während wir bereits auf einen anderen Bildschirm schauen. Laut Alexander Markowetz, der 2015 die Ergebnisse seiner Studie über Handynutzung veröffentlichte, entsperrt der Durchschnitt sein Handy 53 Mal am Tag. Nicht nur er ist der Meinung, dass diese vielen Bildschirme negative Folgen für die Gesundheit haben können.
Folgen für unseren Geist
Markowetz behauptet, eine solch exzessive Nutzung des Smartphones sei nicht normal. Unser Geist leide am meisten unter dem kleinen Bildschirm in unseren Händen. Nicht die Tatsache, dass der Mensch sein Smartphone durchschnittlich 2,5 Stunden am Tag nutzt, findet der Informatiker erschreckend, sondern, dass dadurch immer wieder Handlungen unterbrochen werden.
Genauso ist es beim Second Screening. Die Tätigkeit auf dem einen Bildschirm wird durch den zweiten unterbrochen. Langfristig führe die viele Handynutzung zu einem „Digitalen Burnout“. Laut Markowetz wird der Mensch dabei immer wieder in seiner Produktivität gestört und erlebt dabei einen geistigen Erschöpfungszustand, der vergleichbar mit einem Burnout ist. Die ganzen Informationen, die dann gleichzeitig auf denjenigen/diejenige einprasseln, können nicht mehr alle verarbeitet werden.
Die Lösung
Ich erlebe das auch selbst oft. Da ist es eigentlich egal, ob man sich gerade unterhält oder Fernsehen guckt. Das Handy ist keinen Meter von mir entfernt. Oft ist der Ton an, sodass ich direkt bei jeder Nachricht einen Blick drauf werfe. Jeden Abend schaue ich zuletzt aufs Smartphone statt in mein Buch. Lösung: mich immer wieder dran erinnern oder dazu zwingen, dieses kleine, oft nervige Ding mal aus zu machen oder ganz weit weg zu legen.
Ist es nicht viel schöner, so richtig in einen Film oder ein Buch abzutauchen, alle Gedanken mal eine Stunde beiseite zu schieben und nicht an den Streit von gestern oder die Arbeit von morgen zu denken?