Was ist schon normal?

Es ist 7.30 Uhr, der Wecker klingelt, du drückst ein bis drei Mal auf snooze. Nach ein paar Minuten raffst du dich auf, gehst ins Bad und startest auf dem Weg dahin die Kaffeemaschine. Duschen, Zähne putzen, Haare kämmen. Der Kaffee ist mittlerweile fertig, das Toast auch. Während du den ersten Bissen nimmst, überfliegst du gleichzeitig die Social-Media und Nachrichten-Apps. Jetzt wird’s auch schon Zeit zum Anziehen, Tasche packen, den Bus gerade noch bekommen. Für die meisten sieht so oder so ähnlich wahrscheinlich ein ganz normaler Morgen aus.
Aber Moment. Warum ist das alles eigentlich normal? Seit wann spielt das Smartphone eine so große Rolle im Alltag? Wie entsteht Normalität? Und was bedeutet „normal“ überhaupt?

Irgendwie paradox

Das Wort normal (lat. normalis) heißt übersetzt „nach der Regel“ oder „der Norm entsprechend“. Der Duden definiert das Wort als „so [beschaffen, geartet], wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche, Richtige vorstellt“.
Wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche vorstellt? Also irgendwie das, was jede*r so macht. Oder die Mehrheit. In einer Gesellschaft, in der wir leben, machen viele Menschen die gleichen Dinge. Das weiß man einfach irgendwo her. Aus den Medien, aus Gesprächen, aus Beobachtungen.

Es ist irgendwie paradox. Zum einen machen also ganz viele Menschen das Gleiche, wie morgens aufstehen, zur Arbeit fahren, um fünf zurück nach Hause kommen. Alltägliche Sachen. Zum anderen sind für mich selbst Dinge normal, die nur wenige andere Menschen auch machen. Vielleicht sogar kein anderer? Stundenlang durch Bücherläden gehen zum Beispiel oder Ketchup mit Mayo mischen. Aber es ist auch nicht nur von Person zu Person verschieden. Von Familie zu Familie, Uni zu Uni, Job zu Job, Jahr zu Jahr, Land zu Land, Kultur zu Kultur sind Dinge unterschiedlich. Unterschiede sind normal.

Von ungewohnt zu normal

Auf einmal spielt nun auch das Handy eine Rolle am Morgen. Bestimmt 16 Jahre meines Lebens habe ich morgens keine Whatsapp-Nachrichten aktualisiert. Und jetzt ist das einfach so. Im Zug habe ich auch von heute auf morgen eine Maske aufgesetzt und eine Zeit lang angestanden, um in den Supermarkt zu kommen. Alles auf einmal normal.
Ein Mensch braucht laut einer Studie des University College London 66 Tage, um eine Sache zur Gewohnheit zu machen. Das hängt natürlich von der Art der Tätigkeit ab und ist von Person zu Person individuell. In ungefähr 66 Tagen kann aus „komisch, wie ungewohnt“ also Normalität werden.

„Normal“ ist nichts Stetiges. Kann sich alles voll schnell ändern. Normalität ist auch nicht immer was Gutes. Nach und nach drei Gläser Cola am Tag zu trinken ist bestimmt ganz schnell normal, aber mit Sicherheit nicht gesund. Dass das Leben unfair ist und wir immer wieder mit Vollidiot*innen zu tun haben, ist wohl auch normal, aber macht echt keinen Spaß.
Apropos Idiot*innen, wenn für manche etwas anderes normal ist als für die Mehrheit, dann ist das trotzdem voll okay. Jeder Mensch kann ja an das glauben, was er will oder lieben, wen er will oder sich anziehen, wie er will. Nur, weil das für Hans Wurst von gegenüber nicht ins Weltbild passt, ist es immer noch zu respektieren. Für diesen Menschen ist das ja dann Normalität. Und jede*r sollte sich doch wohl normal in unserer Gesellschaft fühlen auch, wenn er oder sie laut Definition nicht so beschaffen ist, wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche oder Richtige vorstellt.

Normal ist nicht gleich normal

Gar nicht so einfach diese Gedanken zu ordnen. Normalität ist auf der einen Seite so offensichtlich, auf der anderen so gar nicht. Es ist also was total Individuelles, aber gleichzeitig auch überall verbreitet, weil es ja normal ist. Aber vielleicht gibt es auch einfach kein „normal“ oder es ist einfach egal. Es ist einfach egal, ob etwas normal ist oder nicht, solange es sich richtig anfühlt und niemandem schadet. Dafür muss es vielleicht gar nicht als „richtig“ angesehen werden.

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